“Wenn ich die Kunst als eine Lebensanschauung bezeichne, meine ich damit nichts Ersonnenes. Lebensanschauung will hier aufgefaßt sein in dem Sinne: Art zu sein. Also kein Sich-Beherrschen und – Beschränken um bestimmter Zwecke willen, sondern ein sorgloses Sich-Loslassen, im Vertrauen auf ein sicheres Ziel. Keine Vorsicht, sondern eine weise Blindheit, die ohne Furcht einem geliebten Führer folgt. Kein Erwerben eines stillen, langsam wachsenden Besitzes, sondern ein fortwährendes Vergeuden aller wandelbaren Werte. Man erkennt: diese Art zu sein hat etwas Naives und Unwillkürliches und ähnelt jener Zeit des Unbewußten an, deren bestes Merkmal ein freudiges Vertrauen ist: der Kindheit. Die Kindheit ist das Reich der großen Gerechtigkeit und der tiefen Liebe. Kein Ding ist wichtiger als ein anderes in den Händen des Kindes. Es spielt mit einer goldenen Brosche oder mit einer weißen Wiesenblume. Es wird in der Ermüdung beide gleich achtlos fallen lassen und vergessen, wie beide ihm gleich glänzend schienen in dem Lichte seiner Freude. Es hat nicht die Angst des Verlustes. Die Welt ist ihm noch die schöne Schale, darin nichts verloren geht. Und es empfindet als sein Eigentum Alles, was es einmal gesehen, gefühlt oder gehört hat. Alles, was ihm einmal begegnet ist. Er zwingt die Dinge nicht, sich anzusiedeln.”

Rainer Maria Rilke

Rainer Maria Rilke - “Wenn ich die Kunst als eine...” 1

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“Der Mensch der keine Zeit hat, und das ist eines unserer Kennzeichen, kann schwerlich Glück haben. Notwendig verschliessen sich ihm grosse Quellen und Mächte wie die Muse, des Glaubens, der Schönheit in Kunst und Natur. Damit entgeht ihm die Krönung, der Segen der Arbeit, der in Nicht-Arbeit, und die Ergänzung, der Sinn des Wissens, der im Nicht-Wissen liegt.”

Ernst Jünger
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“Die Kunst ist die intensivste Form des Individualismus, die die Welt kennt. Ich bin versucht zu sagen, dass sie die einzige wirkliche Form des Individualismus ist, die die Welt je kannte." [...] Der Künstler aber kann allein, ohne Rücksicht auf seine Mitmenschen, ohne ihr Dazwischentreten, etwas Schönes gestalten; und wenn er nicht einzig zu seiner eigenen Freude arbeitet, ist er überhaupt kein Künstler. [...] Ein wirklicher Künstler glaubt an sich, weil er ganz und gar er selbst ist. [...] Ein echter Künstler kümmert sich nicht um das Publikum. Es exisitiert nicht für ihn. [...] Jede Autorität ist gleichermaßen ein Übel. [...] Mit der Zukunft allein haben wir uns auseinander zusetzen. Denn die Vergangenheit ist, was der Mensch nicht hätte sein dürfen. Die Gegenwart ist, was der Mensch nicht sein sollte. Die Zukunft ist, was die Künstler sind.”

Oscar Wilde
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“Das Bild vom Wirtschaftsgeschehen als einem Wettlauf oder Wettkampf ist in seinen Details etwas verschwommen, doch es scheint, als hätte es als Wettlauf kein Ziel und deshalb kein natürliches Ende. Das einzige Ziel des Wettläufers ist es, die Führung zu übernehmen und zu behalten. Die Frage, warum das Leben wie ein Wettlauf sein muss oder warum die Volkswirtschaften einen Wettlauf gegeneinander veranstalten müssen, statt kameradschaftlich der Gesundheit zuliebe miteinander zu joggen, wird nicht gestellt. Ein Wettlauf, ein Wettkampf - so ist es eben. Wir gehören von Natur aus zu verschiedenen Nationen; von Natur aus stehen Nationen in Konkurrenz zu anderen Nationen. Wir sind, wie uns die Natur geschaffen hat. Die Welt ist ein Dschungel [...], und im Dschungel konkurrieren alle Arten mit allen anderen Arten um Raum und Nahrung.”

J.M. Coetzee
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“Es ist ein Hin- und Hergerissensein zwischen Verheimlichung und Offenherzigkeit, zwischen dem Wunsch, die Wahrheit zu sagen, und dem Unvermögen, es auch in den intimsten Situationen zu tun; es ist die Erkenntnis, dass das Wesen der Liebe Wissen ist und das Ringen mit der Angst, mit der so großen Angst, sich eine Blöße zu geben. Wer schreibt, greift mit dem Stift nach der Macht, weil die Ohnmacht so unerträglich groß ist. Wer schreibt, hört für eine Weile auf, sich selbst Gewalt anzutun, zu leugnen, zu lügen, zu verschleiern und sich zu verstellen, hört mit all dem auf, wozu er sich gezwungen sieht, sobald die Angst zuschlägt was ein anderer mit ihm machen könnte. (Seite 38 / 39)”

Connie Palmen
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“Es ist unmöglich zu überprüfen, welche Entscheidung die richtige ist, weil es keine Vergleiche gibt. Man erlebt alles unmittelbar, zum ersten Mal und ohne Vorbereitung. Wie ein Schauspieler, der auf die Bühne kommt, ohne vorher je geprobt zu haben. Was aber kann das Leben wert sein, wenn die erste Probe für das Leben schon das Leben selber ist? Aus diesem Grund gleicht das Leben immer einer Skizze. Auch „Skizze“ ist nicht das richtige Wort, weil Skizze immer ein Entwurf zu etwas ist, die Vorbereitung eines Bildes, während die Skizze unseres Lebens eine Skizze von nichts ist, ein Entwurf ohne Bild.Einmal ist keinmal, sagt sich Tomas. Wenn man ohnehin nur einmal leben darf, so ist es, als lebe man überhaupt nicht.”

Milan Kundera
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